Mittwoch, 22. Februar 2017

Erinnern gegen das Vergessen

"Ich merke, dass man mit dem Geiste (oder dem Verstand) wuchern kann, und dass die Seele dabei verhungern kann" - Sophie Scholl

Heute jährt sich der Todestag von Sophie Scholl zum 74. Mal. Sie wurde wegen ihres Mutes und ihrer unerschütterlichen Überzeugung, dass der Nationalsozialismus ein menschenverachtendes Regimes war, in München-Stadelheim hingerichtet. Doch wer war diese junge Frau, die es gewagt hat, mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter dem Terrorregime der Nazis zu widerstehen ?
Sie wuchs mit drei Geschwistern, ein viertes starb im Alter von einem Jahr, ganz kleinbürgerlich im fränkischen Forchtenberg, einem 4.900 Seelen zählenden Dorf auf und unterschied sich in nichts von anderen Jugendlichen der Zwischenkriegszeit. Ihre Eltern Magdalena, eine Diakonisse und ihr Vater Robert Scholl erzogen sie zu einer liberal denkenden jungen Frau, die dennoch zu Beginn an die Idee der Nationalsozialisten und ihrer Bewegung – so trat sie in den BDM (Bund Deutscher Mädchen)  ein – glaubte und zunächst begeistert mitmachte. Auch die Mutproben und sportlichen Herausforderungen sprachen die Heranwachsende an.
Doch nach dem „Reichsparteitag der Ehre 1936“ kam der innere Bruch mit dem Regime. An diesem Parteitag wurde die „Wiederbewaffnung Deutschlands“ in Wahrheit die Besetzung des Rheinlandes gefeiert, welche Deutschland an den Rand eines Krieges brachte. Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass die Nazis Krieg wollten um die „Schande von Versailles“ zu revidieren. Gleichzeitig griffen die am Reichsparteitag 1935 erlassenen Judengesetze langsam und die Familie Scholl bekam deren Auswirkungen – Mutter Magdalena engagierte sich in der evangelischen Kirche – zu sehen. Sie wandte sich gemeinsam mit ihrem Bruder Hans (der später ebenfalls hingerichtet wurde) der „Deutschen Jungenschaft vom 1.11.1929“ zu, einer trotz Verbotes im Untergrund existierenden Jugendbewegung und trat damit erstmals aktiv in Opposition zum Regime. Die erste Verhaftung Sophies – wenn auch nur für wenige Stunden – erfolgte 1937, als die Polizei eine Versammlung der Deutschen Jugendbewegung sprengte.
Diese erste Verhaftung hatte jedoch noch keine Auswirkungen auf das Leben Sophies, das sich nicht anders entwickelte als bei anderen Heranwachsenden dieser Zeit: Sie lernte ihren Verlobten, Fritz Hartmann kennen und lieben. Bis knapp vor dem Krieg waren sie ein Pärchen, das auch einige Zeit lang in Weimar zusammenlebte. Der Krieg trennte die beiden und Sophie kehrte wieder in ihr Elternhaus zurück. Die Familie Scholl war mittlerweile nach Ulm umgezogen, wo Sophie 1940 eine Ausbildung als Kindergärtnerin am evangelischen Kindergärtnerinnen-Seminar von Emma Kretschmer begann. Emma Kretschmer begann ihre pädagogische Karriere in evangelischen Kindereinrichtungen für taubstumme bzw. damals als  unerziehbar geltende Kinder.
Durch ihre Ausbildung dort und das Studieren der christlichen Werke von Augustinos von Hippo, eines Kirchentheologen der antiken Urkirche verfestigte sich ihre Abneigung gegen das Regime, welches immer offener zu Tage trat. Sophie begann 1942 Biologie und Philosophie in München zu studieren und musste in den Ferien in einem Ulmer Rüstungswerk für die Kriegsrüstung arbeiten. In München traf sie im Umfeld des Freundeskreises ihres Bruders Hans eine Gruppe junger Menschen, die ebenfalls in Opposition zu den Nazis standen.
Es entstand im Juni 1942 (ein genaues Datum gibt es nicht) die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Mit Briefen, Aufrufen sowie Plakaten und Flugzetteln riefen sie zum Widerstand gegen das Regime auf. Bald fand man in vielen Telefonzellen, hinter Windschutzscheiben und in Postfächern in München ihre Aufrufe und Manifeste. Auch in anderen Städten wurden Flugblätter verteilt, einige davon erreichten sogar Großbritannien und schafften es in die BBC-News. Schliesslich wurde ihnen am 18. Februar 1943 eine Flugblattaktion im Universitätsgebäude der Uni München zum Verhängnis: der Hausmeister Jakob Schmid, ein parteitreuer SA Mann entdeckte die Gruppe und rief sofort die Gestapo. Die Geschwister Scholl wurden zunächst durch den Rektor der Uni verhört und anschliessend in die Gestapo-Zentrale in der Wittelsbacher Strasse gebracht. Nach zweitägigem Verhör, bei dem Sophie Scholl ihre Mitwisser schützen wollte, wurden beide Scholl-Geschwister vom eigens aus Berlin angereisten Blutrichter Roland Freisler zum Tode verurteilt, die Hinrichtung erfolgte am 22. Februar 1943 in München Stadelheim. Ihre Gräber befinden sich im Friedhof am Perlacher Forst.
Interessanterweise hatten die Aktionen der Weißen Rose weitreichendere Folgen als dem Regime genehm war: die Royal Air Force ließ tausende Flugzettel nachdrucken und warf diese im Herbst 1943 über deutschen Städten ab, BBC London veröffentlichte regelmässig Texte der Geschwister Scholl über ihre internationale Welle, welche auch in Deutschland gehört werden konnte. Wegen dieses „Feindsenderhörens“ wurde Sophies Vater Robert im Mai 1943 zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Es ist nicht überliefert ob er dabei einen von Sophie verfassten Text hörte.
Nach dem Krieg wurden die Erinnerungen der Geschwister Scholl in Form von Tagebuchaufzeichnungen veröffentlicht. Ihr ehemaliger Verlobter Fritz wurde Richter und setzte sich in den Fünfzigerjahre (vergeblich) gegen eine Wiederbewaffnung der jungen BRD ein. Vater Robert widmete sein Leben dem Andenken an seine hingerichteten Kinder und war ein ewiger Mahner gegen Faschismus und Krieg.

·         Hans Scholl und Sophie Scholl. Briefe und Aufzeichnungen. Fischer, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-596-25681-X.
·         Thomas Hartnagel (Hrsg.): Sophie Scholl und Fritz Hartnagel. Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937–1943. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000425-6.