Sonntag, 1. Januar 2017

Zur Ausrüstung mit Maschinengewehren

Zur Frage der Maschinengewehre an der Südwestfront 1915



Franz Felberbauer

Das Maschinengewehr war ein Produkt der industriellen Revolution und entstand in den USA. Für die militärischen Führer Europas war es daher vorerst nicht relevant. Man sah 1914 im Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett die Waffe der Entscheidung. Maschinengewehre waren gut für Kolonialkriege, um mit wenigen Weißen die Eingeborenenmassen zu beherrschen. In England gab es den zynischen Spruch von Hilaire Bellow: „Whatever happens, we have got the Maxim gun and they have not.“ [1]) Nur zwanzig englische Maxim MG hatten 1898 bei Obdurman im Sudan etwa 25.000 Krieger des Mahdis getötet oder verwundet.
In den taktischen Vorstellungen der Europäer kam das Maschinengewehr vielfach gar nicht vor. Noch 1915 verkündete der Oberbefehlshaber der englischen Expeditionsarmee in Frankreich, General Haig: „The machinegun is a much overrated weapon. Two per battalion are enough.“ [2]) Am 1. Juli 1916, an der Somme, mähten deutsche Maschinengewehre, die mit ihren Bedienungen sieben Tage Trommelfeuer und Giftgasangriffe überlebt hatten, 60.000 Engländer nieder. Ob es sich um Verdun, die Champagne oder eben die Somme handelte, einige gut platzierte Maschinengewehre fegten die angreifende Infanterie hinweg, bevor diese auch nur andeutungsweise in die Lage kam, ihre Bajonette zu gebrauchen.
Die überaus mageren militärischen Erfolge Italiens an der Südwestfront nach seiner Kriegserklärung (23. Mai 1915) an Österreich-Ungarn gegen die an Truppen und Material drückend unterlegenen Streitkräfte der Donaumonarchie lassen - auch auf alliierter Seite - bis heute viele Fragen offen. Neben der angeblich größeren Kriegserfahrung der Österreicher, trotz des italienischen Kolonialkrieges gegen die Türkei 1911 in Tripolitanien, soll die quantitativ bessere Ausstattung der österreichisch-ungarischen Truppen mit Maschinengewehren eine entscheidende Rolle in der Abwehr der nahezu pausenlosen italienischen Angriffe am Isonzo gespielt haben.[3]) (siehe u.a. bei Rauchensteiner: „Moral gegen Maschinengewehre war immer ein verlustreiches Konzept.“)[4]) Im Folgenden soll anhand der Bestände des österreichischen Staatsarchivs/Kriegsarchivs untersucht werden, ob diese Ansicht tatsächlich berechtigt ist.[5])

Der Untersuchungszeitraum

Die Untersuchung erstreckt sich auf den Zeitraum vor der italienischen Kriegserklärung (23. Mai 1915) bis etwa zum 10. August 1915, weil damit sowohl die ersten italienischen Vorstöße im Alpenbereich als auch die Perioden fast pausenloser italienischer Angriffe an der Isonzofront (nachträglich als 1. und. 2. Isonzoschlacht bezeichnet) erfasst werden. Unmittelbar nach der Kriegserklärung wurde seitens der Italiener versucht, an der Tiroler und Kärntner Grenze die Pässe in die Alpenlängstäler von Inn, Gail und Drau in die Hand zu bekommen, um in Richtung Wien durchstoßen zu können. Diese Angriffe waren nur in sehr geringem Ausmaß erfolgreich. Es gelang den zahlenmäßig weit unterlegenen österreichisch-ungarischen Verteidigern meist, die entscheidenden Höhen und alle wichtigen Pässe zu halten.[6])
An der südlichen Isonzofront begannen die Angriffe der 3. italienischen Armee im Bereich Görz erst am 6. Juni, zwei Wochen nach der Kriegserklärung, und am massivsten durch die 2. italienische Armee in der zweiten Junihälfte (23. Juni bis 7. Juli, 1. Isonzoschlacht) auch auf der Hochfläche von Doberdo. Der italienische Generalstabschef General Luigi Graf Cadorna versuchte über die relativ niedrigen, im Winter schneefreien, aber wasser- und wegearmen Karsthochflächen Richtung Laibach durchzustoßen.[7]) Das Flussgebiet des Isonzo wurde zum Schauplatz einer ungeheuren Material- und Abnützungsschlacht, die sich von den Julischen Alpen (Massiv des Rombon nördlich des Flitscher Beckens) über die Hochebenen von Bainsicca und Doberdo bis an die Adria bei Duino erstreckte. Die Vorstöße der beiden italienischen Armeen wurden zurückgeschlagen, und General Cadorna ließ um den 7. Juli die Angriffe einstellen. Die abgekämpften italienischen Verbände wurden sofort gegen frische Truppen ausgetauscht, und schon am 17. Juli begann die 2. italienische Armee eine neuerliche Offensive (2. Isonzoschlacht), die am 10. August nach geringfügigem Geländegewinn ebenfalls eingestellt werden musste. Die enttäuschten Alliierten Italiens sahen sich gezwungen, statt der Entlastung ihrer Fronten und des erhofften raschen Zusammenbruchs Österreich-Ungarns durch die neue italienische Front die materiellen Unterstützungen an Geld, Artillerie, Munition, Waffen, Flugzeugen und Rohstoffen (insbesondere Kohle) für ihren neuen Bündnispartner zu erhöhen.[8])

Österreich-Ungarn konnte in dieser Anfangsphase an der fast 675 km langen Südwestfront[9]) nur überaus wenige Truppen einsetzen. Sie bestanden in Tirol zum größten Teil aus Standschützen („Knaben und Großväter“) und in Kärnten aus freiwilligen Schützen, das waren noch nicht wehrpflichtige Schüler der Abschlussklassen der Mittelschulen und Lehrlinge. Im Küstenland (der Isonzofront) wurden Reserve- und Ersatzeinheiten und so genannte Marschformationen, also frisch ausgehobene und notdürftig ausgebildete Rekruten, aus den Ergänzungsbezirken der Regimenter in Richtung Grenze in Marsch gesetzt. Sie dienten nicht wie vorgesehen zum Mannschaftsersatz ihrer Stammregimenter, sondern formierten neu aufgestellte Einheiten mit sehr schlechter Ausbildung, Bewaffnung[10]),[11]) und Ausrüstung. An der Isonzofront erfolgte Ende Mai 1915 durch die rasche Verlegung der k.u.k. 5. Armee vom Balkan ins Küstenland der Einsatz eines größeren regulären Verbandes, in Südtirol wurde das Deutsche Alpenkorps zur Frontverstärkung eingeschoben.[12]) Diese Aufzählung zeigt, dass auch das öfter angeführte Argument der höheren Kriegserfahrung der österreichisch-ungarischen Truppen nur von äußerst beschränkter Gültigkeit ist; es dürfte, wenn überhaupt, begrenzt für die Stammdivisionen der 5. Armee bzw. das Deutsche Alpenkorps und an der ganzen Front nur für die Artillerie anzuwenden sein.

Die Anzahl der Maschinengewehre in den Armee-Organisationen

Nach den Organisationsplänen bestand 1914/15 folgende Gliederung und Ausrüstung mit Maschinengewehren:[13])

Österreich-Ungarn

Eine österreichisch-ungarische Infanterie-Truppen-Division (abgekürzt ITD, später ID) hatte drei Regimenter (1914 zu je 4.600 Mann) mit je vier Bataillonen, jedes zu vier Infanteriekompanien und einer Maschinengewehrabteilung (MGAbt) mit zwei Maschinengewehren. Die Infanteriekompanien bestanden aus je 250 Mann und fünf Offizieren. Somit verfügte eine österreichisch-ungarische Infanteriedivision über 24 MG, die unmittelbar den Bataillonskommandanten unterstanden. Dadurch steigerte sich für jedes Bataillon der Kampfwert, einem Maschinengewehr wurde üblicherweise die Kampfkraft von 50 Schützen zugeschrieben. Der Bataillonskommandant war damit in der Lage, eine äußerst wirksame Unterstützungswaffe bei Bedarf sofort einsetzen zu können.
Eine - positive - Ausnahme stellten die Gebirgsmaschinengewehrabteilungen der Landesschützenregimenter Nr. I., II., und III. und die beiden Landwehrinfanterieregimenter Nr. 4 (Klagenfurt) und Nr. 27 (Marburg) dar, deren MGAbt über vier MG des Typs M07/12 verfügten, um die geringere Beweglichkeit einer Truppe im Gebirge zu kompensieren.
Eine Kavalleriedivision mit drei Schwadronen zu je 150 Reitern hatte vier MG 07/12 zur Verfügung. Bei der Kavallerie hatten die Maschinengewehre keinen Schutzschild. Auf dem Marsch wurden die Maschinengewehre bei der Infanterie auf Tragtiere, bei der Kavallerie auf Packpferde verlastet.

Italien

Eine italienische Division bestand aus zwei Brigaden zu je zwei Regimentern mit drei Bataillonen. Jedes Regiment hatte 1915 eine MG-Kompanie mit in der Regel zwei (ganz selten vier) Maschinengewehren des Typs 6,5 mm M 1914 Fiat-Revelli.
Den 24 Maschinengewehren einer österreichisch-ungarischen Division standen daher nur acht einer italienischen Division gegenüber. In der italienischen Armee befand sich außerdem die Maschinengewehrkompanie auf Ebene des Regiments. Während die österreichisch-ungarischen Truppen die Maschinengewehre rascher und taktisch wirksamer bereits auf Ebene des Bataillons einsetzten, erfolgte dies in Italien viel schwerfälliger durch den auf dem Gefechtsfeld weiter hinten befindlichen Regimentskommandanten.

Deutschland

Jedes Infanterieregiment hatte eine Maschinengewehrabteilung mit sechs 7,92 mm MG Maxim 08.

Die Kriegsgliederungen im Mai 1915 an der Südwestfront

Österreich-Ungarn

Im Generalstabswerk „Österreich-Ungarns letzter Krieg“ wird die Ordre de bataille an der Südwestfront für Ende Mai 1915 mit „187¼ IBaone., 1½ RdfBaone., 40 StSchBaone., 15 FrwSchBaone., 28 Schwd., 138½ Bt., 78 FsAKomp., 27 techn. Komp., in Summe 224.500 Gewehre, 3.000 Säbel and 640 Feldgeschütze“ angegeben. Dazu kommt in Südtirol das Deutsche Alpenkorps mit 13 Bataillonen, elf Gebirgsmaschinengewehrabteilungen (GebMGAbt) und neun Batterien, insgesamt 22.039 Mann,[14]) 8.254 Pferde, und 66 MG 08.[15])

Italien

Im Mai 1915 hatte General Cadorna 23.039 Offiziere, 852.217 Soldaten und 9.163 Zivilpersonen mobilisiert.[16]) Sie waren in 14 Armeekorps gegliedert. Zusammen mit den Milizdivisionen waren es 45 Divisionen mit 94 Linienregimentern zu je drei Bataillonen. Dazu kamen zwei Grenadierregimenter, zwölf Bersaglieriregimenter, acht Alpiniregimenter, vier Kavalleriedivisionen und fünf Regimenter Guardia di Finanza, in Summe 124 Regimenter, die organisatorisch mit mindestens 248 Maschinengewehren ausgestattet sein sollten. Zusätzliche Armeeformationen waren die Bataillone der Carabinieri (Polizei). Die 476 Feldartilleriebatterien verfügten über 2.000 Geschütze.

Die Dislokation der italienischen Streitkräfte 1915
- 1. Armee, vom Stilfser Joch bis zum Kreuzbergsattel mit 6½ Inf.Div.; die
- 4. Armee, vom Kreuzbergsattel bis zur Kärntner Grenze mit fünf Inf.Div., zusammen 180.000 Mann und 710 Geschütze;
- Grupo Carnia, von der Kärntner Grenze bis zum Rombon (Karfreit), 70.000 Mann und 280 Geschütze, in zwei Inf. Brigaden, 16 Alpini-Baone und drei Finanzwach-Baone gegliedert;
- 2. und 3. Armee an der Isonzofront von Karfreit bis Monfalcone: die
- 2. Armee umfasste sieben Inf.Div., eine Bersaglieri Div. und zwei Alpinibrigaden, die
- 3. Armee sechs Inf.Div. und zwei Kav.Div., zusammen 210.000 Mann und 820 Geschütze.
In Summe standen nach einer Schätzung des k.u.k. Kommandos der Südwestfront in Italien 460.000 Gewehre und 1.810 Geschütze angriffsbereit. Die italienischen Reserven umfassten zehn Inf.Div. und zwei Kav.Div. (mit ca.70 MG) in Verona und vier Inf.Div. (24 MG) nahe Rom.

Versuch zur Bestimmung der Maschinengewehr-Stückzahlen

Ausstattung nach dem Organisationsplan


Die methodische Vorgangsweise des italienischen Generalstabschefs General Cadorna bei der Ausrüstung, der Mobilisierung und dem Aufmarsch der italienischen Truppen lässt die Annahme berechtigt erscheinen, dass diese MG-Ausstattung bei Angriffsbeginn vorhanden war.[17])
Setzt man in die Ordre de bataille der an der Südwestfront aufmarschierten österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen die orgplanmäßige Ausstattung mit MG ein, ergibt sich folgendes Bild:
Nach den Organisationsplänen würde sich eine 2,38-fache Überlegenheit Österreich-Ungarns bei der Ausstattung mit Maschinengewehren, nämlich 472 zu 198, ergeben. Plangemäß ausgerüstet, hätten die Mittelmächte über 274 MG mehr verfügt als die italienischen Angreifer.[18])
Die österreichisch-ungarischen Truppen waren aber vom vollen Ausrüstungsstand mit MG weit entfernt.

Versuch zur Ermittlung der tatsächlichen MG-Zahlen für Österreich-Ungarn

Das allgemeine Kräfteverhältnis an der Südwestfront
Die Südwestfront wurde vor Kriegsbeginn notdürftig durch Freiwilligenverbände und Marschformationen gesichert, denen nicht nur Geschütze und Maschinengewehre, sondern meist sogar die Gewehre[19]) fehlten. Alle regulären österreichisch-ungarischen Heerestruppen waren an der Ostfront gegen Russland und am Balkan gegen Serbien eingesetzt.
Das Landesverteidigungskommando Tirol rief im Februar/März 1915 in aller Eile nach der Landlibell Kaiser Maximilians von 1511 40 Standschützen-Bataillone[20]) zu den Waffen.
Das Militärkommando Graz, das bis etwa 15. Mai 1915 für die Abschnitte Kärnten (Zona Carnia) und Isonzo (Untertilliach - Karnische und Julische Alpen - Isonzo - Duino bis Triest) verantwortlich war, verfügte noch am 31. Dezember 1914 über nur 13.700 Mann, 26 Geschütze und sechs (!) Maschinengewehre.
Zur selben Zeit hatte General Cadorna allein in Venetien bereits 600.000 Mann [mit 128 MG] zusammengezogen.[21]) Das Stärkeverhältnis bei den Feuergewehren betrug 43:1, bei den Maschinengewehren 22:1 zugunsten Italiens.[22])
An die Kärntner Grenze wurden 15 Bataillone aus freiwilligen Schützen[23]) gestellt, für die Isonzofront von den Julischen Alpen bis zum Meer kratzte man aus Marscheinheiten fünf schwache Infanteriedivisionen (Nr. 90-94) zusammen. Marschformationen hatten grundsätzlich keine Maschinengewehre.[24]) Am 14. Mai 1915 waren an regulären Truppen nur die 57. Inf. Division sowie die Vorausabteilungen von fünf Inf. Divisionen der k.u.k. 5. Armee (bestehend aus dem XV. und XVI. Korps) am Isonzo in Stellung. Das Armeeoberkommando (AOK) hatte sich entschlossen, die gesamte k.u.k. 5. Armee vom Balkan ins Küstenland zu verlegen,[25]) statt Truppen von der Ostfront abzuziehen. Zum Zeitpunkt der Kriegserklärung am 23. Mai 1915 standen in Kärnten und am Isonzo 40 Heeresbataillone und 15 Freiwilligen- Schützenbataillone 161 italienischen Bataillonen gegenüber, die Relation bei den Bataillonen betrug etwa 2,92:1.[26]) An der gesamten Südwestfront verfügte die italienische Armee (ohne die Reserven im Hinterland) über 349 voll ausgerüstete Bataillone, denen 194¾ österreichisch-ungarische und deutsche Bataillone gegenüberlagen, von denen aber 55 die schlecht ausgerüsteten, wenn auch hoch motivierten und vielfach ortskundigen Freiwilligenverbände waren. Das Verhältnis an Bataillonen beträgt (ohne Berücksichtigung von Mannschaftsstand, Bewaffnung und Ausrüstung) an der gesamten Südwestfront ca. 1,8:1, hatte sich also gegenüber dem 14. Mai geringfügig zugunsten der Verteidiger verbessert.

Untersuchungen im Kriegsarchiv zur Ermittlung der tatsächlichen MG-Zahlen der österreichisch-ungarischen Verbände an der Südwestfront
Entsprechend der Kommandogliederung und auch der ersten Angriffsoperationen Italiens muss die Untersuchung für die Abschnitte Südtirol (Landesverteidigungskommando Tirol), Kärnten (Armeegruppe GdK Rohr) und Isonzo (5. k.u.k. Armee, GdI Boroevic) getrennt erfolgen.

Landesverteidigungskommando Tirol
In den Beilagen der alle 14 Tage erfolgenden Meldung der Materialsituation an die Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos (AOK) gibt es keinerlei Daten über vorhandene/fehlende MG, sehr wohl aber weist das Formular „Summarische Standesnachweisung“
- die Zahl der MG-Schützen (Gefechtsstand) der vorhergegangenen Meldung (in Ziffer 1),
- die Zugänge und Abgänge (in Ziffer 5) und
- den Stand zum Stichtag der Meldung aus.
Bei Ziffer 5 wird im Formblatt ausdrücklich angeführt:
Hiezu Vermehrung des Gefechtsstandes durch Einrücken von Genesenen und Ausgebildeten sowie durch Materialzuschub.
Die Zahl der MG-Schützen richtete sich damit genau nach der Zahl der vorhandenen MG. Die Sollzahl der ausgebildeten Bedienungsmannschaft einer österreichisch-ungarischen MG-Abteilung beträgt neun Mann für zwei MG (siehe Bild 2). Damit lässt sich die Zahl der Maschinengewehre aus der Anzahl der gemeldeten, ausgebildeten MG-Schützen nach der Formel Zahl der MG-Schützen mal zwei durch neun errechnen.[27]) Die Angaben sind kontrollierbar, weil die Zahlen der MG-Schützen bei abgegebenen oder neu zugeteilten Divisionen, Regimentern oder Bataillonen präzise ausgewiesen wurden, und zwar völlig getrennt von den Verlusten durch Kampfhandlungen. Die Berechnung ergibt, dass im Bereich des LVKdo Tirol mit 110 MG (495 MG-Schützen) die vorgesehene Soll-Anzahl von Maschinengewehren (zwei Stück pro Baon) von 122 MG fast erreicht wurde, obwohl normalerweise Landsturm-, Reserve- und Marschbataillone keine MGAbt besaßen. Seitdem die Gefahr des Kriegseintrittes Italiens bestand, hatte das LV Kdo Tirol offensichtlich systematisch MG-Abteilungen aufgebaut,[28]) und zwar auch für die Standschützenbataillone. Während der Mannschaftsersatz fast sofort an die Ostfront abgezogen wurde, muss es gelungen sein, die MG-Abteilungen in Tirol zu halten.[29]) Dazu kommen die elf Gebirgsmaschinengewehrabteilungen des Deutschen Alpenkorps mit einem Soll-Stand von sechs MG 08 pro Abteilung, also 66 Stück (siehe Tabelle 4).
Bei der Kriegserklärung Italiens fand sich an der Tiroler Front ein Verhältnis von 176 österreichisch-ungarischen und deutschen MG gegen 69 italienische und beträgt somit 1:2,55 zugunsten Österreichs. Es gibt an dieser Front tatsächlich eine Überlegenheit der Mittelmächte an Maschinengewehren. Das Verhältnis fällt aber im September 1915 beim Abzug des Deutschen Alpenkorps auf 1:1,6 ab.

Armeegruppe GdK Rohr Kärnten
Am 31. Dezember 1914 gibt es an der gesamten Kärnten- und Isonzofront nur sechs MG. Die mit 7 mm Mauser-Gewehren ausgerüsteten Freiwilligen-Schützen-Baone in Kärnten besitzen im Mai 1915 nur eine MGAbt mit zwei russischen Beute-MG 7,92 mm Maxim.[30]) Unterlagen oder Meldungen über die Materialsituation der Armeegruppe Rohr konnten im Kriegsarchiv nicht gefunden werden.[31]) Für die italienischen Verbände der Grupo Carnia ergeben sich 20 MG, sodass in diesem Rayon ein Maschinengewehrverhältnis von 1,43:1 (oder besser) zugunsten Italiens anzunehmen ist.
K.u.k. 5. Armee
Die Überprüfung der MG-Anzahl kann für die 5. Armee anhand der vorliegenden Material-Situationsmeldungen des Etappenkommandos erfolgen. Bis zum 15.5. ist die 5. Armee Teil der Balkanstreitkräfte, ab 15.6. ein eigenes Kommando an der Isonzofront. Die MG-Bestände lassen sich wie für das LVKdo Tirol aus den „Summarischen Standesnachweisungen“ berechnen.
Am 15.5. wird die 5. Armee noch dem Kommando der Balkanstreitkräfte zugerechnet. Die MG-Bestände liegen am 1. April mit 120 MG[32]) etwa im Sollstand für ihre fünf Divisionen (XV. Korps [1. und 50. ITD][33]) und XVI. Korps [58., 18., und 48. ITD]), steigen sogar zum 15.5. vor der Verlegung auf 131 MG an,[34]) möglicherweise durch Rückkehr von Genesenen oder Reparatur beschädigter MGs.
Zur militärischen Lage der k.u.k. 5. Armee nach der Verlegung in das Küstenland:
Bis zum 23. Mai 1915 dürften die fünf Infanteriedivisionen (ID) der 5. Armee ihre Positionen im weitgehend deckungslosen Karst bezogen haben. Die bereits in Stellung liegenden neu aufgestellten ID wurden unterstellt. Der allgemein befürchtete Großangriff Italiens am Tag der Kriegserklärung erfolgte nicht.[35]) Erst am 27. Mai 1915 begannen die Italiener mit Infanterieangriffen, gekoppelt mit einer Beschießung des Brückenkopfes von Görz.[36]) Am 6. Juni brach der lang erwartete Ansturm los. Bis zum 22. Juni trugen die Italiener 41 Angriffe vor, die am Isonzo als „Einleitungskämpfe“ gelten. Vom 23. Juni bis 7. Juli mussten die österreichisch-ungarischen Truppen 86 massivste Angriffe der 3. italienischen Armee (acht Divisionen) gegen die Höhen von Doberdo abwehren; diese 16 Hauptkampftage werden zur 1. Isonzoschlacht zusammengefasst. Am 5. Juli versuchte Cadorna erneut Görz anzugreifen. Die Angriffe wurden mit Hilfe der österreichisch-ungarischen Artillerie abgewehrt.[37])
Schon am 17. Juli eröffneten die italienischen Batterien wieder das Feuer gegen den Görzer Brückenkopf und die Ränder der Hochflächen. Mächtige Infanterieangriffe mit 20 frischen Divisionen wurden gegen Oslavia, Podgora und den Monte Sabotino vorgetragen. Am 20. Juli nahmen die Italiener den Monte San Michele ein, der aber bereits am 21. Juli von k.u.k. Infanterie zurückerobert wurde. Am 25. Juli stürmte italienische Infanterie den Monte dei sei Busi, am nächsten Tag war sie vertrieben. Dieser Berg wechselte von da an nahezu täglich den Besitzer. Die schweren Kämpfe dauerten bis zum 10. August, kleinere Kampfhandlungen hielten bis zum 28. August an. Das Kräfteverhältnis in dieser 2. Isonzoschlacht (18.7.-10.8.) beträgt etwa 250.000 Italiener mit 108 MG und 860 Kanonen gegen 78.000 k.u.k. Truppen mit 371 Feldgeschützen. Wie die anschließenden Untersuchungen ergeben haben, fiel bei den k.(u.)k. Truppen der Bestand an Maschinengewehrschützen von 590 (131 MG) auf 156 (34 MG), um dann wiederum auf 350 (78 MG) anzusteigen. Die entsprechenden Standesmeldungen liefern folgende Zahlen:
Diese Angaben lassen nur den Schluss zu, dass ausgerechnet im Bereich der Isonzofront zum Stichtag 15. Juni eine erhebliche Unterlegenheit der österreichisch-ungarischen 5. Armee an Maschinengewehren gegenüber den beiden italienischen Armeen bestand. Da die fünf Divisionen der 5. Armee am 15.5. noch etwa ihren Sollbestand an MG-Abteilungen hatten, die 5. Armee am 15.6. aber mit allen ihr neu unterstellten Divisionen und Brigaden nur mehr über 34 MG (statt einer Sollzahl von mindestens 264 MG) verfügte, gibt es nur die Erklärung, dass
- die neu aufgestellten Divisionen über keine MGAbt verfügten[38]) und die
- 5. Armee in den heftigen Anfangskämpfen bis 15. Juni etwa 434 Maschinengewehrschützen und/oder 97 Maschinengewehre verloren hat.
Da die Summarischen Standesmeldungen Abgänge durch Abstellung von Einheiten explizit ausweisen, ist auszuschließen, dass die k.u.k. 5. Armee Maschinengewehrabteilungen am Balkan zurückgelassen hat. Es muss sich daher bei den Unterschieden vom 15.5. zum 15.6. um Verluste handeln, die aber wegen der fehlenden Summarischen Standesmeldung vom 1.6. nicht im Detail nachgewiesen werden können. Die Einheiten waren sicher wegen des hastigen Stellungsbezugs und der unmittelbar anschließenden schweren Kämpfe nicht in der Lage, den Personalstand zu melden. Das Absinken vom 15.6. zum 1.7. (auf 28 MG) ist aus der Summarischen Standesnachweisung trotz der im Gange befindlichen 1. Isonzoschlacht einwandfrei aus der Abgabe von Verbänden mit ihren MG an andere Frontabschnitte erklärbar. Die laufend durchgeführten Unterstellungen von neuen Truppen mit weit unter dem OrgPlan liegenden MG-Beständen unter das Kommando der 5. Armee verbesserten zwar das MG-Verhältnis Italien - Österreich-Ungarn, es bleibt an der Isonzofront aber immer zum Vorteil Italiens. Die Abwehrerfolge Österreich-Ungarns können daher nicht einer Überlegenheit an Maschinengewehren zugeschrieben werden.
Beispielsweise hatte die neu zugeführte 17. Infanterie Truppen Division (17. ITD) nur 18 MG-Schützen, also vier MG (Soll 24 MG), die 59 ITD 15 MG-Schützen mit vier MG (Soll 24 MG) und die 19. Landsturm-Gebirgsbrigade zehn MG-Schützen mit zwei MG (Soll zehn MG).
In der Standesmeldung vom 15. Juli, also nach der 1. Isonzoschlacht, weisen seltsamerweise die MG-Schützen der 5. Armee keine Abgänge auf, während ein Verlust von 244 Offizieren (davon 48 tot) und 9.453 Gewehrträgern (1.220 tot) ausgewiesen wird. Dasselbe wiederholt sich in der Meldung vom 1.8., also mitten in der 2. Isonzoschlacht. Der Bestand an MG-Schützen steigt sogar gegenüber dem 15. Juli um die oben angeführten 43 Mann mit zehn Maschinengewehren an, die sehr schweren Verluste betragen 10.620 „Gagisten“ und 41.899 Mann. Am 15.8., mitten in der 2. Isonzoschlacht, wird die Meldung mit dem Vorbehalt abgegeben, dass die genauen Zahlenangaben der im Kampf stehenden Verbände noch ausstehen. Es kann nur vermutet werden, dass man nach den schweren Ausfällen an MG-Schützen in den Anfangskämpfen gelernt hatte, die für die Abwehr kostbaren Maschinengewehre während des Artilleriebeschusses in sicheren Kavernen zu halten, um sie erst beim Beginn der italienischen Sturmangriffe, wenn die italienische Artillerie das Feuer einstellen musste, um nicht in die eigene Truppe zu schießen, in Stellung zu bringen.[39])[40])
Die 5. Armee umfasste nun schon zwölf Divisionen und zwei Gebirgsbrigaden, die zusammen über 350 MG-Schützen, also 78 MG verfügten. Der Sollstand wären 1.404 MG-Schützen mit 312 MG gewesen.

Ergebnis der zahlenmäßigen Untersuchungen

Als Ergebnis der Untersuchungen im Kriegsarchiv ist festzuhalten, dass im Zeitraum von der Kriegserklärung Italiens bis zum Ende der 2. Isonzoschlacht nur im Bereich des LVKdo Tirol ein Verhältnis an Maschinengewehren von 2,37:1 zugunsten Österreich-Ungarns nachzuweisen ist. In Kärnten muss (vermutlich) ein Verhältnis 1,43:1 und am Isonzo nachweisbar ein Verhältnis von zuerst 3,18:1, später[41]) 1,4:1 zugunsten Italiens angenommen werden.
Es gibt genügend Anhaltspunkte in der Kriegsgeschichte, dass eine zahlenmäßige Überlegenheit allein nicht ausschlaggebend ist. Neben der Quantität wäre auch die Qualität der verwendeten Maschinengewehre zu betrachten und die jeweilige Einsatztaktik zu berücksichtigen.

Die eingesetzten Maschinengewehre und ihre Technik

An der Südwestfront kamen folgende Typen von Maschinengewehren zum Einsatz:
- 8 mm MG Muster 07/12, System Schwarzlose (Österreich-Ungarn),
- 6,5 mm MG M1914, System Fiat-Revelli (Italien),
- 7,92 mm MG 08 Maxim (Deutschland), wenige Beute-MG M1910 Maxim (Russland).

 

Österreich-Ungarn: 8 mm MG Muster 07/12 System Schwarzlose

Das MG 07/12 war bis 1938 in Österreich eingeführt. Es war relativ leicht (ca. 17,5 kg ohne Wasser, 22,4 kg mit Wasserfüllung ohne Lafette, mit Lafette 41,4 kg), vom System her ein Rückstoßlader mit mittels eines Kniegelenkverschlusses verzögerter Öffnung und wassergekühltem, aber feststehendem Lauf.[42]) Die Munitionszuführung erfolgte mit einem Webgurt zu 250 Schuss mit der Standard-Infanteriepatrone 8x50R M93 (siehe Tabelle 10). Die theoretische Feuergeschwindigkeit betrug 520 Schuss/Minute. Das MG war von dem Deutschen A. W. Schwarzlose in Österreich entwickelt und 1907 eingeführt worden. Bei seiner ersten Verwendung zeigten sich einige konstruktionsbedingte Mängel, die vom Hersteller, den Österreichischen Waffenwerken in Steyr, behoben wurden. Die verbesserte Version wurde unter der Bezeichnung 8mm-MG Muster 07/12 das Standard-Maschinengewehr der k.u.k. Armee. Es zeichnete sich unter der Voraussetzung, dass die Munition, besonders das verwendete Treibpulver, von gleichmäßiger Güte war, durch eine außergewöhnlich hohe Zuverlässigkeit aus. „Solange Kühlwasser und Ölung vorhanden sind, ist die Feuerdauer fast unbegrenzt.“ [43]) Der Verkaufsprospekt der Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr[44]) hob schon 1905 hervor, dass dies im Vergleich zu anderen MG-Systemen auf der Einfachheit der Konstruktion, u.a. die viel geringere Anzahl der Teile (siehe Tabelle 9) und nur eine einzige Feder im ganzen Gewehrmechanismus, zurückzuführen war. Diese einzige Schrauben-Feder war so überdimensioniert, dass genügend Kraftreserve vorhanden war, um auch verschmutzte Patronen in den Laderaum zu drücken. Bei Kriegsbeginn 1914 waren 1.582 MG Schwarzlose vorhanden.[45])
Verbreitung: Neben Österreich-Ungarn in Serbien, Bulgarien, Rumänien und in der Türkei eingeführt. Im Zweiten Weltkrieg noch bei den Streitkräften von Rumänien, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und den Niederlanden in Verwendung.

Italien: 6,5 mm MG Fiat-Revelli M1914

Das Standard-Maschinengewehr Italiens bis in den Zweiten Weltkrieg wurde 1908/10 von Revelli konstruiert, aber erst 1914 von General Cadorna angekauft. Die Herstellung erfolgte im Fiat-Automobilkonzern. Das MG M14 war mit 15 kg Masse und einem Gestell von 19,2 kg verhältnismäßig leicht und hatte eine theoretische Feuerfolge von 400 Schuss/min. Praktisch waren wegen einer sehr ungewöhnlichen Magazinzuführung[46]) für die italienische Infanteriepatrone 6,5 mm Carcano (siehe Tabelle 10) nur ungefähr 150-200 Schuss/min erreichbar. Es handelte sich um einen Rückstoßlader mit Verzögerung und beweglichem Lauf. Die gesamte Konstruktion war sehr kompliziert und äußerst störanfällig.[47])
Das Dienstbuch über den Einsatz der Maschinengewehre der italienischen Armee legte auch die Einsatzschussweite dieser Waffe mit nur 800-1.000 Metern fest.[48]) Schießen auf weitere Entfernungen war wegen des leichten 6,5 mm Geschoßes auch ziemlich sinnlos.
Zu Kriegbeginn verfügte Italien über 700 MG.[49]) 1917 erbeuteten die Verbündeten in der 12. Isonzoschlacht über 3.000 Fiat-Revelli Maschinengewehre, die von Österreich-Ungarn als Beutewaffen eingeführt wurden.

Deutschland: 7,92 mm MG 08 System Maxim

Das MG 08 ist in die Betrachtung einzubeziehen, da das vom Mai 1915 bis etwa Oktober 1915 in Tirol eingesetzte Deutsche Alpenkorps über etwa 66 dieser MG verfügt haben muss. Deutschland führte ab 1892 Versuche mit dem Maxim-MG[50]) durch. Die Einführung erfolgte 1908, die Fertigung in der Waffenfabrik Spandau. Es handelte sich um einen Rückstoßlader mit kurzem Rohrrücklauf (daher beweglicher Lauf), mit einem Rückstoßverstärker und Mündungsfeuerdämpfer. Die Masse des eigentlichen Gewehres betrug 26,3 kg, zusammen mit der Schlittenlafette wurden 66,5 kg erreicht. Webgurt mit 250 Schuss. Die Feuergeschwindigkeit lag zwischen 480 und 600 Schuss/min.
Von Bedeutung ist, dass Deutschland für die Verwendung in Maschinengewehren zusätzlich eine sS-Patrone mit schwererem Geschoß (schweres Spitzgeschoß) eingeführt hatte, die bei höherer Schussweite und engerer Garbe bis zu 3.500 m wirksam war (siehe Tabelle 10). Zu Kriegsbeginn besaß Deutschland 2.400 Maschinengewehre Maxim 08.[51])

Patronenleistungen, Wirkung im Ziel

Italien hatte eine leichtere Gewehrpatrone gewählt, deren Vorteil bei der Verwendung in Repetiergewehren durchaus auf der Hand lag. Höhere Mündungsgeschwindigkeit (700 m/s) und hohe Querschnittsbelastung (33 g/cm²) (siehe Tabelle 10) ergeben eine gestreckte Flugbahn und ausreichende Auftreffenergie bis 450 m sowie eine Verminderung der Traglast für die Taschenmunition.[52])
Für die Verwendung in Maschinengewehren weist diese Munition aber erhebliche Nachteile auf. Grundsätzlich gilt, dass bei gleicher Form großkalibrigere und schwerere Geschoße auf ihrer Flugbahn viel weniger Geschwindigkeit verlieren als leichte Geschoße kleineren Kalibers.[53]) Sie behalten nicht nur eine höhere Durchschlagsleistung, sondern auch eine höhere Treffgenauigkeit über längere Strecken bei. In 2.000 m Entfernung betrug die Auftreffenergie des italienischen Geschoßes nur etwa ein Viertel, die spezifische Auftreffenergie ein Drittel der österreichisch-ungarischen Munition (siehe Tabelle 10). Die italienischen Geschoße streuten nach kürzerer Flugzeit viel stärker, die Garbe weitete sich auf, die Zahl der Geschoße, die im beabsichtigten Zielraum einschlugen, war viel geringer. Es machte offensichtlich wenig Sinn, auf über 1.000 m Entfernung zu schießen, weil die Wirkung im Zielgebiet nicht mehr gegeben war. Die österreichisch-ungarische Patrone hatte einige Nachteile (höhere Masse, geringere Mündungsgeschwindigkeit) für die Verwendung im Repetiergewehr, war aber als MG-Munition der italienischen weit überlegen.
Deutschland hatte die Probleme, die eine leichte Patrone für Maschinengewehre darstellte, umgangen, indem für das MG 08 ein schwereres Spitzgeschoß (sS-Patrone) eingeführt wurde, was die Einsatzschussweite erheblich erhöhte. Die spezifische Auftreffenergie des sS-Geschoßes lag mit 8,2 J/mm² über der des österreichisch-ungarischen Geschoßes und hoch über dem italienischen von nur 2,2 J/mm². Von der Konstruktion her waren die deutschen und österreichisch-ungarischen Geschoße Stahlmantelgeschoße mit Hartbleikern, während Italien einen (weicheren) Nickel-Kupfer-Mantel mit Weichbleikern verwendete. Auch daraus ist für größere Entfernungen eine geringere Wirkung der italienischen Munition im Ziel abzuleiten.

Leistungsbeurteilung des italienischen 6,5 mm MG M14

Die im Kriegsarchiv vorhandenen Unterlagen deuten darauf hin, dass es sich bei dem 6,5 mm MG Fiat-Revelli M14 um eine ziemlich störungsanfällige Waffe handelte. Genaue Leistungsdaten (Streuung, Auftreffenergie) waren leider nicht zu finden.[54]) Der größte Nachteil des italienischen Maschinengewehres lag in der Verwendung eines für MG zu leichten Geschoßes, das nicht nur zu einer geringeren Einsatzschussweite führte, sondern auch hohe Streuung und geringere Auftreffenergie im Ziel mit sich brachte.
Während deutsche, russische und österreichische MG offensichtlich eine effektive Reichweite hatten, die weit über der maximal möglichen Visiereinstellung von 2.000 m lag, lag sie bei dem italienischen 6,5 mm MG M14 um einen Kilometer darunter! Die aufgefundenen Daten lassen nur den Schluss zu, dass die italienischen Maschinengewehre in Leistung und Qualität weit unter den deutschen, russischen und österreichischen rangierten.

 

Der taktische Einsatz der Maschinengewehre im Ersten Weltkrieg

Zu Kriegsbeginn 1915 betrug die Grundausstattung einer italienischen Division mit Maschinengewehren ein Viertel einer österreichisch-ungarischen bzw. deutschen und weniger als ein Fünftel einer russischen Division. Der italienische Generalstab gehörte offensichtlich ebenso wie der englische und französische nicht zu den Befürwortern des Maschinengewehres. Der auf falscher Zuordnung (zur Artillerie statt zur Infanterie) und falschem taktischen Einsatz beruhende Misserfolg der französischen Mitrailleusen, der ersten in einer europäischen Armee organisatorisch eingeführten Maschinenwaffe im deutsch-französischen Krieg 1870/71, führte nicht nur in Frankreich, sondern auch in England zur Ablehnung dieses neuen Waffentyps. Und dies, obwohl Engländer und Franzosen Maschinengewehre in ihren Kolonialkriegen mehrfach mit durchschlagendem Erfolg verwendet hatten. Selbst die grauenhaften Massaker, die Maschinengewehre im Sudan (Obdurman 1898)[55]) und im Russisch-Japanischen Krieg unter der angreifenden Infanterie anrichteten, trugen nichts zur Meinungsänderung bei.
Der Widerstand der Militärs gegen das Maschinengewehr resultierte weniger aus seiner taktischen Einsatzfähigkeit oder Störanfälligkeit als aus seiner Masse. Die zu Beginn des Ersten Weltkriegs üblichen 40-65 kg schweren MG brauchten vier bis sechs Mann Bedienung und dazu ein Tragtier zum Transport. Sie wurden weithin als für den Angriff als ungeeignet und nur als Verteidigungswaffe, besonders für Festungen, angesehen. Da ganz offensichtlich die Engländer selbst im Jahr 1916 ihre Lektion noch nicht gelernt hatten,[56]) kann dies eigentlich vom italienischen Generalstab Anfang 1915 nicht verlangt werden. Es ist durchaus anzunehmen, dass den Maschinengewehren 1915 keine besondere Rolle im italienischen Angriffskrieg zugewiesen wurde.
Eine nach dem Ersten Weltkrieg geschriebene Waffenlehre[57]) führt im Kapitel E „Die Verwendung der Infanteriewaffen“ aus: „Das s.M.G. ist die mächtigste infanteristische Feuerwaffe. Seine Stärke liegt in dem leicht zu lenkenden Dauerfeuer, der großen Schussweite (sS), der dichten, bei richtigem Visier auch auf weiter Entfernung noch wirksamen Garbe, der großen Beweglichkeit und geringen Trefffläche. Feste Lafette mit guten Richtmitteln, mechanische Festlegung der Garbe durch Höhen- und Seitenbegrenzung erleichtern das Überschießen eigener Truppen und das Durchschießen von Lücken und gestatten indirektes Richten, die große Schussweite begünstigt die Verwendung aus der Flanke und aus der Tiefe.“ [58])
Den Großteil dieser Vorgaben kann das italienische 6,5 mm MG M14 wegen seiner beschränkten Leistungsfähigkeit nicht erfüllen, selbst wenn zu Ende des Krieges die oben angeführten Erkenntnisse auch in Italien zum Allgemeingut geworden waren.

Zusammenfassung

Die Ansicht, dass der Abwehrerfolg der österreichisch-ungarischen Truppen an der Südwestfront einer höheren Zahl an Maschinengewehren gegenüber den italienischen, in allen anderen Belangen zahlenmäßig hoch überlegenen, Angreifern zuzuschreiben wäre, ist nach dieser Untersuchung nicht haltbar. Gerade an der kritischen Isonzofront kann einwandfrei für die österreichisch-ungarischen Truppen eine viel geringere MG-Zahl nachgewiesen werden. Die veraltete italienische Taktik,[59]) die organisatorische Zuordnung der italienischen Maschinengewehre zu einem ungeeigneten Truppenkörper (Regiment) und ihre geringe mechanische und ballistische Leistungsfähigkeit ließen möglicherweise die zahlenmäßige Überlegenheit nicht zum Tragen kommen.

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